Galsan Tschinag

G. mit grünem Hemd in Everswinkel 2015

Radioportrait zum 80. Geburtstag von Galsan Tschinag am 26.12.2023

Am 26.12.2023 feierte Galsan Tschinag seinen 80. Geburtstag. Zu diesem Anlaß erschien an diesem Tag ein Radioportrait in WDR 5.

„Seine erlebte Geschichte klingt wie ein Märchen. Ein Hirtenknabe aus dem Altai-Gebirge in der Mongolei wird zu einem gefeierten deutschen Schriftsteller und Dichter, wird mit Literaturpreisen überhäuft und mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet: Das ist die Biografie von Galsan Tschinag. (…) Am 26. Dezember 1943 wird Galsan Tschinag geboren und wächst in einer Nomadenfamilie auf. Dank seiner guten Leistungen in Schule und Studium erhält er ein Stipendium und verbringt sechs Jahre in Leipzig, wo er an der Karl-Marx-Universität studiert. Gefördert vom berühmten DDR-Schriftsteller Erwin Strittmatter beginnt er, Gedichte und Romane auf Deutsch zu schreiben. Bei seiner Rückkehr in die Mongolei gerät Galsan Tschinag wegen seiner politischen Ansichten in Ungnade bei der kommunistischen Führung. Nach der „Wende“ setzt er sich dafür ein, sein über das ganze Land verstreut lebendes Volk der Tuwiner in die Heimat im Altai-Gebirge zurückzuführen. In einer spektakulären Aktion, der „Großen Karawane“, ziehen 1995 hunderte tuwinische Familien zurück in ihr angestammtes Siedlungsgebiet.“ Thomas Daun, WDR 5, Redaktion: Gesa Rünker

Interview im Hessischen Rundfunk  von 2007, gesendet am 27.12.2023

Sehr empfehlenswert: Interview des Schweizer Rundfunks von 2013

Am 10.10.2022 ist Galsan Tschinags neuer Autobiografieband: „Kennst du den Berg“ im Unionsverlag Zürich erschienen. „Von der heimatlichen Fremde in die nunmehr fremd anmutende Heimat – Galsan Tschinags weltumspannender Lebensweg führt ihn zurück in eine aufgewühlte Mongolei.

Nach den prägenden Leipziger Lehrjahren kehrt Galsan Tschinag bang und freudvoll auf den kräftigenden Boden der Mongolei zurück. Die Jahre in der Ferne jedoch haben ihn verändert. In einem von der kalten, kargen Altaibergsteppe geformten Körper steckt ein im unnachgiebigen Europa geweckter Geist. (…) Begleitet wird er von einem unstillbaren Wissensdurst und seiner Liebe zum Nomadentum.“ Quelle: Unionsverlag Zürich

Der weiße Kegel
Des Weltenberges
Schwebt über der Zeit
Seine Mähne weht herüber
Umflattert mich
Ich stehe hier unten
In Zeitnot
Die Gänsehaut ist
Mein Panzer
Vor dem nahenden Lebenswinter“

 

Das ist die poetische Sprache des mongolischen Dichters, Schriftstellers und Schamanen Galsan Tschinag, richtiger: Irgit Schynykbajoglu Dshurukuwaa.

Eine tief verwurzelte Liebe zu seiner Heimat, dem Hohen Altai im Westen der Mongolei, zeichnet seine Erzählungen, Romane und Gedichte aus (Eine Literaturliste seiner wichtigsten Werke finden Sie hier: Literaturliste Galsan Tschinag). Er gehört dem in der Mongolei zahlenmäßig kleinen turksprachigen Volk der Tuwa an, deren Oberhaupt er ist. Um diese Menschen in ihrem Kampf unter härtesten Lebensbedingungen als Hirtennomaden, aber auch um ihr Leben im wärmenden Miteinander kreisen Tschinags Gedanken.

 

Seine eindringliche und ausdrucksstarke Wortwahl vermittelt dem Leser Einblicke in eine verloren gehende Kultur. Große Sprünge waren für Galsan Tschinag nötig, um aus der archaischen Welt der Nomaden, in die er im Winter 1943/44 hinein geboren wurde, seinen Weg zu finden. Eingebettet in die große Tradition der Tuwa, die eine Vielzahl von mündlich überlieferten Epen in ihrer Volksdichtung besitzen, wuchs der Schriftsteller in einer Jurte, dem wärmenden Filzzelt, im Wechsel von der Sommer- zur Winterweide auf. In direkter Nachbarschaft und unter der Obhut seiner berühmten Schamanentante Pürwü, die selbst die kommunistischen Schergen – wohl aus Angst – nicht anzurühren wagten, begann er mit 5 Jahren auch seine Lehrzeit als Schamane.

 

Der Hohe Altai mit seinen schneebedeckten Bergen, Heerscharen von Milanen, Möwen und Wildgänsen, Blumenteppichen aus Edelweiß, Iris und Butterblumen prägten ihn und beflügelten seine Fantasie.Schon während seiner Schulzeit, die er in einem Internat für Nomadenkinder und damit in dem ersten fest gebauten Haus verbrachte, entstanden Gedichte, die ihn in seiner Umgebung bekannt machten. Es lag nahe, ihn nach Beendigung seiner Schulzeit zum Literaturstudium an die Staatliche Universität der Hauptstadt Ulaanbaatar zu schicken. Sein großes Sprachtalent fiel den zuständigen Stellen auf. 1962 erhielt er ein Stipendium, um in der DDR die deutsche Sprache zu erlernen.

 

Nach einem Sprach- und Schriftkurs am Herder-Institut studierte Galsan Tschinag Germanistik in Leipzig. Zu Goethe, Schiller und Heine entstand eine tiefe Bindung. Er begann, in deutscher Sprache zu schreiben, erste Manuskripte entstanden. Die Bekanntschaft mit Erwin Strittmatter in dieser Zeit prägte Tschinags schöpferische Tätigkeit. Er verfasste seine Diplomarbeit über „Das Tragische im Werk Erwin Strittmatters“. 1968, nach Abschluss des Germanistik-Studiums, das er als Bester seines Jahrgangs absolvierte, zog es ihn zurück in die Mongolei. Der Diplom-Germanist wollte in seinem Land jungen Menschen die deutsche Sprache nahe bringen und begann eine Lehrtätigkeit für deutsche Sprache und Literatur an der Staatsuniversität in Ulaanbaatar. Kritik am kommunistischen System brachten ihn und seine Familie in große Schwierigkeiten. Er wurde von der Universität suspendiert, seine Manuskripte blieben liegen, mussten sogar versteckt werden.

 

Bis 1987 übernahm Galsan Tschinag verschiedene Arbeiten für die Gewerkschaftszeitung „Hödölmör“ (Die Arbeit). Darüber hinaus übersetzte er aus dem Deutschen u.a. Gedichte von Kurt Tucholsky, Heinrich Manns „Der Untertan“, Erwin Strittmatters „Pony Pedro“, Stefan Hermlins „Abendlicht“ und „Till Eulenspiegel“. Von 1987-1990 gab er die Zeitschrift „Setgüültsch“ (Der Journalist) heraus, das erste Perestrojka-Organ des Landes. Seit der auch in der Mongolei vollzogenen politischen Wende im Jahr 1990 lebt der Autor als freier Schriftsteller in der Umgebung von Ulaanbaatar.

 

1992 erhielt er den Adelbert-von-Chamisso-Preis, der von der Bayrischen Akademie der Schönen Künste in München und der Robert Bosch Stiftung Stuttgart an ausländische Autoren vergeben wird, die in deutscher Sprache schreiben.

1995 folgte der Puchheimer Leserpreis, 2001 der Heimito-von-Doderer-Literaturpreis, 2008 der Literaturpreis der Kulturstiftung der deutschen Wirtschaft im BDI und 2009 der Europäische TREBBIA-Preis für sein Lebenswerk.

Bereits im Dezember 2002 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz für seine intensiven Bemühungen um eine Verständigung zwischen den Kulturen verliehen.

 

Im Sommer 1995 konnte sich der Schriftsteller einen lang gehegten Traum erfüllen: eine Karawane von 139 Kamelen, 330 Pferden, 30 Hunden, 16 Hühnern, einer Katze, 140 Tuwa und „6 Deutschen“ (Kamera-Team) durchquerte in 62 Tagen auf einer Länge von 2000 km die Mongolei in Ost-West Richtung. Galsan Tschinag organisierte und finanzierte den Treck mit dem Erlös seiner Bücher und Lesereisen, die ihn jedes Jahr nach Europa führen. Auf diese Weise gelangte ein Teil seines verstreut lebenden und vom Aussterben bedrohten Volkes in die angestammten Weidegebiete im Hohen Altai zurück. Die Menschen waren unter dem kommunistischen Regime vor vielen Jahren in weit entfernte Gegenden abgeschoben bzw. abgeworben worden.

 

Er ist nicht nur Schriftsteller und Dichter, er ist auch Schamane. Seine aktive Teilnahme an internationalen Kongressen über Schamanismus, Heilen und Hypnose sowie an Heiler-Seminaren zeigt das Verwurzeltsein in seine schamanisch geprägte Urkultur. Er ist Herz und Rückgrat seines Volkes und Wanderer zwischen Ost und West, der Nomaden- und der Fortschrittswelt. Er ist aber auch Botschafter einer anderen Kultur, Heil- und Denkweise. Die Tuwa-Nomaden pflegen achtsamen Umgang mit der Erde und ihren Geschöpfen. Die tiefe Verehrung der Natur wird zur Dankbarkeit und zur spirituellen Haltung.

 

Daraus erwuchs Galsan Tschinag eine Vision. Er wollte der Mongolei 1 Million Bäume schenken und hat dieses Ziel mit seiner Arbeit, mit Spenden und mit vielen begeisterten Unterstützern am 15. Oktober 2021 verwirklicht!

 

Inzwischen ist der Autor ein Weltbürger geworden. Die Teilnahme am Poesiefestival in Kolumbien, eine Lesereise durch Kanada und die Vereinigten Staaten sowie in Australien haben ihn auch auf anderen Kontinenten bekannt gemacht.

Viele seiner Werke sind im Unionsverlag Zürich erschienen:

Galsan Tschinag im Unionsverlag

Außerdem sind zahlreiche Werke im Suhrkamp Verlag sowie im Waldgut-Verlag erschienen:

Galsan Tschinag im Suhrkamp Verlag

Galsan Tschinag im Waldgut Verlag

Ehrung_2

Am 04. Oktober 2021 wurde Galsan Tschinag durch die mongolische Umweltministerin Frau Urtnasan für sein Projekt „Eine Million Bäume für die Mongolei“ mit dem Ehrenorden für den besten Umweltschützer ausgezeichnet.

Laut Galtaikhuu Galsan hat außerdem der mongolische Präsident Hurelsuch auf der Bühne der Vereinten Nationen versprochen, eine Milliarde Bäume in den nächsten 10 Jahren zu pflanzen. Darum haben jetzt alle Ämter und Organisationen angefangen, Bäume zu pflanzen. Was vor 10 Jahren als eine Vision Galsan Tschinags begann, ist nun von sehr vielen Menschen auch in der Mongolei aufgenommen worden und trägt viele gute Früchte für das Land.

23. Mai 2019

Galtai Galsan schreibt:

„Ein Treffen mit dem mongolischen Präsidenten Battulga Khaltmaa am 23.Mai 2019

Die Erhaltung der Natur sowie der Kultur unseres Nomadenvolkes im hohen Altai war das Hauptthema des Gesprächs. Der Präsident will in allen Punkten uns unterstützen und mit uns zusammenarbeiten.“

4. November 2018

Hohe Ehrung für Galsan Tschinag

 

Am 4. November 2018 wurde Galsan Tschinag in Kysyl / Republik Tywa in der russischen Föderation der höchste Staatspreis, der „Orden der Republik Tywa“ bei einem Staatsempfang verliehen.

 

FAZ-Artikel zum neuen Buch Frühjahr 2018

Neue Buchveröffentlichung „Kennst Du das Land“ erschienen beim Unionsverlag

 

Pünktlich und passend zur „Leipziger Buchmesse“ ist das neue Buch von Galsan Tschinag erschienen: „Kennst du das Land“ mit der Unterzeile „Leipziger Lehrjahre“. Darin beschreibt Galsan Tschinag wieder einmal auf fesselnde und begeisternde Art und Weise und in seiner wundervoll-blumigen und unverwechselbar „tuwinisch-deutschen“ Sprache seine Zeit in Leipzig während seines Germanistik-Studiums und wie es dazu kam, dass er die deutschen Sprache um drei neue Worte bereicherte…

„Dem Himmel so nah“

24.07.2017

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ widmet Galsan Tschinag einen Absatz in einem Artikel über die Schönheit der Mongolei und zitiert ihn:

https://www.spiegel.de/reise/fernweh/zentralmongolei-im-bus-durch-die-steppe-a-1158883.html

2012 erscheint das Buch – Foto – Film – Projekt:

„In der Mitte ein Feuer“ mit Texten von Galsan Tschinag über die Nomadenkultur seines Volkes.

Der Fotograf Gernot Gleiss und der Filmemacher Gernot Stadler besuchen dazu den Schriftsteller und Heiler bei seinem Volk im Hohen Altai-Gebirge. Link zum Film auf YouTube

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